… Anstatt einer elaborierten Komposition aus der Musikgeschichte hat unser Maler sich diesmal einen Grundbegriff der Musiklehre zum Gegenstand genommen: die Septime, die siebte Stufe unserer diatonischen Tonleiter, eine Stufe unterhalb der Oktave, die den Grundton bekanntlich wiederholt, nur sozusagen ein Stockwerk höher. Alle Tonschritte dazwischen, auch die Septime, wären, wenn wir beim Gebäude-Vergleich bleiben, die Treppenabsätze. Warum nicht gleich die Oktave? Zum einen weil Johann Peter Reuter die Siebenzahl von dem Foyer mit seiner Fensterfront vorgegeben wurde – die Herausforderung zu „Reflektionen über einen Raum“. Zum anderen weil die Siebenzahl nun mal spannungsvoller ist als jede gerade Zahl, der stets eine Tendenz zum Symmetrischen, widerstandslos und glatt Aufgehenden innewohnen würde. Zudem richtet sich hier das wechselnde Format der Einzelbilder nach der wechselnden Breite der Fenster.
Wo nun seine früheren Polyptychen – d.h. fest aufeinander bezogene Bildkonstellationen – als einfühlsame Antwort auf die Entwicklung eines musikalischen Motivs oder auf die Interaktion mehrerer solcher Motive zu begreifen sind, hält Johann Peter Reuters „Septime“ – Zyklus es zunächst mit bloßen Klängen. Aber wir würden die formale Einheit des Ganzen, deren ein Polyptychon bedarf, vermissen, hätte der Urheber nicht klug für Verflochtenheit und Korrespondenzen der eingesetzten bildnerischen Mittel und Elemente gesorgt. Entsprechen diese tatsächlich den zur titelgebenden Septime hinführenden Tonschritten? Oder bleibt das Verhältnis von Inspiration aus dem einen und Realisation im anderen Medium nicht notgedrungen im subjektiven Ungefähr? Bevor wir uns der Betrachtung der erwähnten bildnerischen Mittel zuwenden, sollte diese Frage geklärt sein. …
© Dr. Roland Held, Darmstadt 2oo5